Jenseits der Grenzen – Kapitel V

KAPITEL V –

STEVE

1964 erkrankte unser ältester Sohn, Steve, an Myasthenia Gravis.

Steve war neun Jahre alt. War die Erkrankung erblich? Nein. Mir wurde gesagt, wir seien die erste Vater-Sohn Kombination, welcher die MG bekommen haben.

Diese „Ehre”, die erste Vater-Sohn-Kombination zu sein, die diese Erkrankung hatten, verfehlte ihre tödliche Wirkung auf mich.

Zuerst bemerkte ich das ausdruckslose Gesicht von Steve und ein paar Tage später, als wir losgingen, um seine Zähne ziehen zu lassen, wusste ich, wofür ich mein Leben gelassen hätte, um das nicht zu erfahren. Unsere Befürchtungen wurden wahr auf dem Campus Pendelton durch einen Tensilon Test.

Steve rutschte in eine myasthene Krise und als Resultat dessen verbrachte er die nächsten sechs Jahre an einer Beatmungsmaschine und mit einer Magensonde.

Nichts, was ich bis dahin gelernt hatte, half uns seine Gesundheit zu verbessern.

Einmal, wir nutzen die Begeisterung, halfen wir ihm wieder laufen zu gehen. Nach vielen Wochen, nachdem wir allmählich täglich die Distanz erhöhen konnten, konnte er dreißig oder vierzig Schritte gehen.

Dann aber schlug das Desaster in Form einer Lungenentzündung zu.

Steve wurde wieder einmal zurückgeworfen und der Kampf gegen die Lungenentzündung schwächte seinen Körper mehr als zu Beginn.

Es ist schwer seine eigenen Gefühle zu kontrollieren und ich fand es war unmöglich die von Steve zu kontrollieren oder gar zu beeinflussen.

Die Gefühle waren das einzige Werkzeug mit dem ich in dieser Zeit zu tun hatte.

Ich widmete Steve eine Menge Gedanken in den letzten fünfundzwanzig Jahren und ich verließ diese Gedanken immer mit mehr Fragen als Antworten. Hier ins Detail zu gehen würde meine Geschichte nur noch verzwickter machen.

Ein Punkt, der es wert sein könnte, darüber nachzudenken, ist die Idee, dass es mehr als einen Typus der MG geben könnte.

Beide Typen sind Myasthenia Gravis, nur sie kommen von verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen Mitteln.

Als Steve 1970 starb, waren wir völlig am Boden zerstört. Diesen Kampf zu verlieren, denke ich, war unausweichlich.

Joan und ich hatten in den letzten 6 Jahren 12-Stunden-Schichten geschoben und wir waren über alle Maßen erschöpft.

Steves jüngere Brüder und Schwestern unterstützten sich gegenseitig beim Spielen, sowie andere Kinder, und das machte diesen langen Weg, unseren Job zu machen erst möglich.

Das erste Mal in meinem Leben akzeptierte ich das Scheitern. Hier gab es einfach nichts, was wir dagegen hätten tun können.

Wir benötigten dringend Erfahrungen und Wissen, so wie die Ärzte dieses Wissen benötigten.

Das war nicht mein Versagen oder Joans’ Versagen oder das Versagen des Arztes. Es war das Versagen der Umstände und das Fehlen von Erkenntnissen.

Mit der Bürde der Pflege von Steve verbesserte sich meine Konstitution. Bald brauchte ich nicht länger Mestinon alle „drei Stunden“ zu nehmen. Ich brauchte das Medikament als Bedarfsmedikament, aber nie mehr als eine oder zwei Tabletten täglich.

Das war ein langer Weg von sechsunddreißig + Tabletten täglich, die ich seit 1962 nahm.

Ich stand tief in der Schuld von Steve, den seine Pflege brachte mich dazu, härter zu arbeiten, als ich es getan hätte und das Ende dieser sechs Jahre ließ mich in einer sehr guten Verfassung zurück.

Die physische Verfassung ist für eine MG Person entscheidend. Und ich hatte mir dieses Geschenk gemacht.

In den dunklen Nachwehen des Begräbnisses unseres Sohnes und Bruders tat unsere Familie das, was sie am besten konnte. Wir fuhren zelten. Ich malte ein Bild, welches ich an die Wand unseres Wohnzimmers hängte und ich dichtete Verse, welcher wir unseren Freunden und Verwandten schickten.

UNSER SOHN IST TOT!

Wir kauften eine Grabstelle.

Wir gingen in die Kirche.

Dann kamen die Menschen,

die mit Steve verbunden waren.

WIR FINGEN EINEN FLÜCHTIGEN BLICK AUF GOTT EIN.

 

Die meisten unserer Freunde und Verwandten verstanden unsere Gefühle, aber, ich schätze, ein paar Menschen waren irritiert über unsere mentale Gesundheit. Doch sie brauchten sich nicht zu sorgen.

Heute denke ich nicht an Steve als einen Toten, da er in jeden unserer Familie weiterlebt. Er ist in mir und Joan und in Dave, Phil, Linda und Brenda.

Wir teilten unsere Zeit mit ihm, wir pflegten ihn, als er krank war.

Schweigend, heimlich gab er uns ein besseres Geschenk. Zu dieser Zeit waren wir uns dessen nur nicht bewusst.

Die Pflege von Steve holte uns aus uns selbst heraus in eine großzügigere Welt. In eine Welt, in die wir sehen konnten, unsere eigenen Interessen hinter uns lassend.

Ein kostbareres Geschenk hatte nie jemand bekommen. Wir konnten Steves Leben nicht retten, aber er hatte viel dafür getan, unsere Leben zu retten.

Danke Steve.

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