Jenseits der Grenzen – Kapitel XII

KAPITEL XII

MOUNT ST. HELEN

Unser Sohn Dave absolvierte das College und nahm einen Job in der Forstwirtschaft in Missouri an. Sein Herz war noch an der Westküste und als sich Mount St. Helen bei der Sommer-Eröffnung selbst präsentierte, nutzte er die Chance. Dave lud uns dahin ein, während er dort arbeitete. Ein staatlicher Zeltplatz befand sich hinter der Straße, von der aus er arbeiten würde und wir konnten in seinen freien Sunden den Park erobern.

Joan und ich zelten immer noch sehr gern. Wir waren sehr gut darin und ich könnte mir vorstellen, dass das der Grund war, dass wir es so genossen. Eigentlich, wenn ich ganz ehrlich sein sollte, würde Joan sicher ein gutes Motel vorziehen, aber sie war immer bereit, ein weni zurückzustecken und dafür liebe ich sie.

Der Mount St. Helen brach am 18. Mai 1980 aus und veränderte das Land um sich herum für immer.Die erste Reaktion ist die Klage über den Verlust von Leben und die Zerstörung einer großen Menge an Wald. Ferienhäuser und Zeltplätze, alles weg. Siebenundfünfzig Menschen und Millionen von Bäumen und Tieren hörten in Bruchteilen von Sekunden auf zu existieren wegen dieses monumentalen Akts der Natur.

Die Menschen, die mit dem Berg lebten oder zelteten und wanderten, die Seen und Ströme genossen, konnten nicht vergessen werden ohne die Frage nach dem Warum? zu stellen. Warum konnte so etwas Schönes zerstört werden? Warum ließ der Herrgott solch eine Verwüstung zu? Ich kann mir vorstellen, dass sie sich wünschten, dass alles wieder an seinen Platz zurückkehren soll, allein das würde nie geschehen.

Als wir im Sommer 1988 ankamen, war unser erster Eindruck der der totalen Zerstörung.

Als wir die Gegend erkundeten, die Berichte der vielen Wissenschaftler auf dem Berg lasen und die wunderschönen Ausstellungen der Besucher-Center sahen, öffneten sich aber unsere Augen für das Leben um uns herum. Das war nicht nur einfaches Leben, sondern ein kraftvolles Leben, das, mit ein wenig Vorstellungskraft, all das was zerstört war, übertraf. Ich nahm das alles in mich auf und verstand, dass Leben eine Chance ist. Je mehr wir unbeweglich werden, desto näher sind wir dem Tod. Das war auch in der Natur das gleiche. Und im gesamten Universum.

All die ausgestorbenen Spezies sind gegangen, weil sie sich nicht anpassten, nicht veränderten. Wenn man wirklich lebendig sein will, muss man flexibel und biegsam sein, offen bleiben für Veränderung.

Es war zu groß, dies während unseres Aufenthaltes alles zu begreifen, aber ich dachte Monate und Jahre, die folgten, an diese Erlebnisse und meditierte darüber.

Alle meine Sinne waren geschärft und fühlten diesen Wunsch, näher heran zu kommen, in den Vulkan zu schauen, ein Teil dieses Wunders zu sein. Joan und Dave entdeckten einen Hubschrauber-Service, der sie, gegen eine Gebühr, hoch in und um den Lava-Dom, welcher sich im Krater gebildet hatte, fliegen würde. Dieser Dom war sehr rauchig und grollend und tat genau das, was Lava-Doms zu tun hatten und ich war mir sicher, ein Rundflug in einem Hubschrauber wäre ein Nervenkitzel.

Joan und Dave sahen diesen Dom auf diesem Wege.

Testpilot Clete, auf der anderen Seite, hatte Schwierigkeiten darin etwas anderes zu sehen als einen Todeswunsch und wählte die Option, auf dem Boden zu bleiben.

Ich würde es gern richtig stellen, dass ich keine reale Flug-Phobie habe, doch nach meinen Air Force Erfahrungen triggerte die Vorstellung einfach die falschen Lebenssäfte. Ich bin geflogen, nachdem ich die Air Force verlassen hatte, aber ich tat es nie, wenn ich eine andere Wahl hatte, und ich entdeckte bald eine andere Option am Mount St. Helen.

Ein Wanderweg war in eine Seite des Berges eingeschnitten und, nach der Registrierung in einem örtlichen Restaurant, war es einer begrenzten Anzahl an rüstigen Seelen erlaubt, täglich einen Aufstieg zu machen. Ich wollte immer schon eine „rüstige Seele“ sein und wenn man meint, in diesen Wunsch mit der Begeisterung und dem Eifer mehr zu sehen —gut —ich kann einfach nicht anders. Dave war einverstanden, mich zu begleiten und Joan würde im Basis Camp warten und ein Buch lesen. Dave achtete darauf, uns auf die richtige Liste zu setzen, und wir erreichten das Restaurant früh am Tage unserer Wanderung. Nach einem guten Frühstück schrieben wir uns ein und beeilten uns ins Basis Lager zu kommen, wo wir unser Auto stehen und Joan zurück lassen wollten und unser Abenteuer beginnen wollten. Auf unserer Rücktour wollten wir dann wieder am Restaurant anhalten und uns ausschreiben. Das war der Beweis, dass wir nicht länger auf dem Berg waren und die Rettungsmannschaften konnten nach Hause gehen und ein Bier trinken. Wenn wir vergessen würden uns auszuschreiben, dann schätze ich, dass sie jede Erdspalte nach uns abgesucht hätten, in die wir hätten fallen können.

Ich vermutete, sie würden sie markieren und dann nach Hause gehen und ein Bier trinken. Wie ihr erkennen könnt, wollte ich die Sache wirklich nicht sehr ernst nehmen.

Die Idee eines Menschen mit schwerwiegendem Handicap auf einen Berg zu klettern, könnte, und das liegt auf der Hand, ein wenig überambitioniert wirken.

Im Jahr 1984 versuchten mein anderer Sohn, Phil, sein Cousin Jack Crocker und ich den Mount Lassen in Nord California zu besteigen. Joan hatte beschlossen auf dem Parkplatz zu warten, so wie sie es diesen Morgen auch zu tun gedachte. Joan hatte jedem von uns ein Abzeichen mit der Aufschrift „Ich bestieg den Mt. Lassen“ versprochen, wenn wir erfolgreich wären. Damals hatte Joan keine Lust ein Buch zu lesen und hatte sich, ohne dass wir drei es wussten, so positioniert, dass sie unsere Fortschritte mit einem Fernglas verfolgen konnte. Wir waren noch nicht die Hälfte der Entfernung gegangen, als Jack vorschlug, für ein paar Stunden im Wald zu wandern und dann triumphierend zurückzukehren und unseren Preis einzufordern.

Glücklicherweise konnten zwei Gresses einen Crocker überstimmen und er war aus dem Rennen.

(Joan hätte uns gekreuzigt! Woher sollte sie es wissen?)

Wir setzten unsere Kletterei unter großem Stöhnen und Seufzen fort und jeder von uns dachte dabei auch an Aufgabe. Aber jedes Mal überstimmten die anderen zwei den um Aufgabe Bittenden. Endlich, kurz vor dem Gipfel, waren wir alle fix und fertig von der Route, mit übermüdeten Augen, schweißgebadet und die Zungen hingen uns heraus. Dieser Planet wurde noch nicht von drei erbärmlicheren Exemplaren okkupiert.

Plötzlich, von irgendwo hinter unserer Position, erreichten unsere geplagten Ohren klare weibliche Stimmen. Wir setzten uns auf und konnten es gar nicht glauben. Als wir um uns blickten, kamen zwei Frauen forsch um die Biegung, sprechend und lachend, gingen an unserer Lagerstätte vorbei und verschwanden oben am Berg, ihre Lunchpakete baumelten um ihre kleinen siebzig Jahre alten Allerwertesten.

Oh, Lord, wie kannst du nur so grausam sein?

Durch diese massive Verletzung des Egos bestärkt, setzten wir unsere Kletterei fort, bis wir den Gipfel erreichten.

Ich war einundfünfzig Jahre alt zu dieser Zeit und würde wahrscheinlich überleben, dass ich von zwei siebzigjährigen Frauen geschlagen wurde. Ich hätte es auch auf die Myasthenia Gravis schieben können.

(Zweckdienlich?)

Phil und Jack waren beide gesund und noch in ihren Zwanzigern und, ich wusste, sie würden lieber sterben als aufzugeben nach dieser unverhohlenen Demonstration der Frauen. Trotzdem hatte ich wirklich das reale Gefühl, eine Leistung vollbracht zu haben.

Der Gedanke an die Mount Lassen Besteigung gab mir Aufmunterung und ich spürte einen anderen Sieg bei der heutigen Wanderung. Auf dem Weg zum Basiscamp hielten wir an und nahmen ein paar gute Wanderstöcke mit. Wir beide hatten Tagesportionen mit etwas Essen und natürlich Wasser bei uns. Ich trug einen Campingofen mit einer Kaffeetasse und Kaffee bei mir. Der Morgen war perfekt. Kühl, knackige Luft, wenn man still stand, aber es waren perfekte Wandertemperaturen. Die Wolkenfetzen über unseren Köpfen bewegten sich schnell genug um uns eine lange Periode Sonnenschein zu garantieren. Die ersten zwei, drei Meilen waren noch flach, wir liefen durch Bäume, die, wie auch immer, den Vulkanausbruch überlebt hatten. Die Begeisterung ließ meinen GF steigen und ich fühlte mich stark.

Die Route wurde immer steiler, je näher wir dem Gipfel kamen. Seltsame Steinformationen waren überall. Umgestürzte Bäume und Asche, überall war Asche. Wir wanderten weiter. Aus der Ferne konnten wir etwas sehen, das wie ein Gletscher aussah und die Route schien wie für unsere Füße gerade gemacht. Es war ungefähr hier, als ich das erste, kleine Gefühl der MG-Müdigkeit bemerkte. Wir waren vielleicht drei Meilen gewandert und das war zu zeitig. Die richtigen Herausforderungen des Berges lagen noch vor uns.

Es war verdammt nochmal zu früh, und trotz meiner Ermahnungen begann die Enttäuschung den Platz der Begeisterung einzunehmen, die meinen GF festhielt. Mein erster Impuls war, es zu ignorieren, weil ich um mich herum viele neue Wunder zu bestaunen hatte. Ich marschierte weiter.

Ich wollte diesen Berg besteigen. Ich wollte es wirklich. Andere konnten ihn besteigen. Warum nicht ich auch? Warum konnte ich nicht wie die anderen sein, mit starken Beinen und gesundem Körper? Warum muss ich immer nachgeben, aufgeben, bevor ich den Gipfel erreiche?

Natürlich kannte ich die Antwort auf „Warum nicht ich“.

Die Antwort war Myasthenia Gravis! All das Selbstmitleid auf dieser Welt würde dies nicht ändern.

Die Strecke endete in der Tat am Fuße des Gletschers, wo uns die Schritte, die sich in seine Gesicht fraßen, unsere neue Herausforderung aufzeigten. Zuerst, schrittweise kletternd, verschiedene Muskeln verwendend, die sich von der Verwendung beim Wandern unterschieden, machte das das Weitergehen leichter.

Nach einer halben Meile verkehrte sich die Anfangshoffnung, den gesamten Weg zu gehen in Frustration. Keinerlei Gedankenkontrolle war in der Lage, die Erschöpfung zu übergehen.

Oh, ich konnte noch klettern, indem ich meine Arme und Schultern mit dem Gehstock nutzte. Dutzende von Kletterpartien, wie auch immer, hatten einen Gedanken in meinem Kopf hinterlassen. Den Berg besteigen war zweimal leichter als der Abstieg. Die meisten Muskeln, die man zum Abstieg benötigte, benutzte man auch beim Wandern in der Ebene. Sie hatten mehr Training und waren in einer besseren Verfassung. Die Muskeln, die uns zurückhielten beim Abstieg vom Berg wurden weniger benutzt und waren deshalb schwächer. Das machte es wahrscheinlich, dass sie die MG Schwäche ausbilden.

Ich würde wahrlich den Gipfel des Berges erreichen, würde aber zu erschöpft sein, den Rückweg möglich zu machen. Es würde erniedrigender sein, vom Gipfel gerettet zu werden, deshalb gab ich Dave ein Zeichen, sich auf eine Lavaschicht zur Linken des Weges zu bewegen. Wir saßen auf dem Fels, das Tal überblickend und wir waren die einzigen zwei Menschen auf diesem Planeten.

Ich musste aufgeben. Ich musste quittieren. Man könnte denken, dass es in den fünfunddreißig Jahren, in denen ich dies oft tun musste, leichter gehen würde. Dies tat es nicht.

Während ich uns einen Kaffee aufbrühte, erklärte ich Dave meine Situation und er sagte mir, dass er mich verstehe. Er konnte sehen, dass ich ganz unten war und fühlte das Ausmaß meiner Enttäuschung.

Dave wechselte das Thema und wir diskutierten darüber, wie exzellent der Kaffee schmeckte und das das hier womöglich ein guter Platz sein könnte, einen Café-Shop zu eröffnen. Auf halber Höhe des Mount St. Helen an einer Seite des Gletschers. Wir lachten, ruhten uns aus, sprachen über alles und nichts. Am Ende entschieden wir, dass diese Lavaschicht wirklich der Gipfel des Berges war, und da wir unser Ziel erreicht hatten, konnten wir nach Hause gehen.

Der Weg zurück war ereignislos, wenn man die fünf oder sechs Male ignoriert, in denen meine Beine aufgaben und ich beinahe auf mein Gesicht gefallen wäre. Doch mein Wegbegleiter rettete mich.

Ich hatte noch eine Menge zu lernen. Eines Tages würde ich wiederkommen. Das nächste Mal würde ich gewinnen. Der Berg würde mir nicht davonkommen mit so einem einfachen Sieg.

Als ich später auf diesen Tag zurückblickte, realisierte ich, dass nicht der Berg mich besiegt hatte. Ich hatte mich selbst besiegt. So viele Erfahrungen hatte ich mit der MG und ich war in die Falle des sich Hingebens in negative Gefühle getappt.

„Der Berg war nicht mein Feind, er war mein Lehrmeister.”

Und auf diesem Wege verwandelte ich das Negative ins Positive.

Die Lektion war einfach genug. Ich hätte mich auf den Berg schrauben müssen ausschließlich vertrauend auf meinen Enthusiasmus, den Gipfel zu erreichen.

Ich musste lernen, jede Lektion, die ich in den letzten dreißig Jahren gelernt hatte, zu ignorieren.

Der Berg sprach: „Geh zurück und mache deine Hausaufgaben, Clete.” Du bist nicht der Durchschnitts- Joe mit genug Energiereserven, der wenn er etwas „will”, irgendetwas tut und es wird geschehen.

Um erfolgreich zu sein, braucht es einen Plan, umsichtig jede Unze seines Wissens zu nutzen.

Du hast deine Gangschaltung im richtigen Moment zu benutzen und du musst dazu immer auch noch in den richtigen Gang schalten. Dein Automatik-Getriebe hat in den Jahren zuvor schon nicht funktioniert, Dummkopf. Warum hast du das vergessen?”

Selbstmitleid ist eine interessante Sache. Wie der Hass kann es sehr genüsslich sein und süchtig machen.

Es scheint ein Teil der menschlichen Natur zu sein. In der Vergangenheit hätte ich geglaubt, dass ich es unterdrücken müsste. Hätte verlangt, dass es aus meinem Leben verschwindet. Hätte geleugnet, dass es überhaupt existiert. Alles hätte ich verhindert, sich die Idee entwickeln zu lassen, dass ich Selbstmitleid oder Hass zu fühlen in der Lage sei.

Heute akzeptiere ich diese Dinge als einen Teil von mir. Ich bin nicht perfekt. Stellt euch vor. Welche Offenbarung. Sie existieren und ich kann nichts dagegen tun, außer nach Wegen suchen, ihre negative Energie in positive Kräfte umzuwandeln.

Diese Ideen des positive Denkens sind in vielen guten Büchern beschrieben und auf dem heutigen Büchermarkt zu finden.

Zudem was schon immer gesagt wurde, kann ich nur wenig hinzufügen.

Der eine Punkt, den ich anmerken würde ist der, dass die Wahrheit hören und lesen und auch einverstanden zu sein mit ihr eher einfacher ist. Dies aber zu einem Teil deines Lebens zu machen, ist die schwierigere Angelegenheit.

Ich glaube, das aktuelle Sprichwort dafür ist: Du hast eine große Klappe, aber steckt da wirklich was dahinter?“

Keine einfache Sache und sie ist es wert, eine große Sache der Meditation zu werden.

Noch mehr Benzin für die Denkmaschine.

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